Ich berichte euch heute von einer Phase in unserem Familienleben, die uns als Eltern enorm viel Kraft gekostet hat. Um es vorweg zu nehmen, es hat alles eine gute Wendung genommen und rückblickend war es eine ganz entscheidende Phase auf unserem Weg zu einer veränderten Lebenseinstellung. Und dafür bin ich enorm dankbar! 
Dieser Artikel ist Teil der Blogparade„Als Familie durch eine Krise kommen“

Erstmal abwarten

Als wir mit unserer Tochter zur U7 (im Alter von 2 Jahren) bei unserem Kinderarzt waren, hatten wir zum ersten Mal einen schriftlichen Beweis, dass unser Kind in der sprachlichen Entwicklung nicht altersgemäß entwickelt war. Zunächst waren wir und der Kinderarzt ganz entspannt. Wir vereinbarten einfach ein paar Monate später einen weiteren Termin, um dann noch einmal die sprachliche Entwicklung zu betrachten. Es gäbe ja Spätzünder und im Moment gäbe es noch keinen Grund, sich irgendwelche Gedanken zu machen.

Diagnose: Late Talker

Als unsere Tochter ein halbes Jahr später allerdings immer noch sehr wenige und sehr eigensinnige Wörter benutze, wurden wir zur Diagnostik zum HNO und zur Logopädin geschickt. Das brachte ihr dann die Diagnose
„Late Talker“/Sprachentwicklungsverzögerung ein und wir begannen auf Empfehlung eine spezielle logopädische Therapie. Diese brachte langsam einige Fortschritte und die Erkenntnis, dass unsere Tochter gut über Bildkarten kommunizieren konnte.

Unterstützte Kommunikation

Dieser Ansatz wurde dann weiterverfolgt und konfrontierte uns mit dem Thema „Unterstütze Kommunikation“. Nach einer guten und einfühlsamen Beratung entschieden wir uns, ungefähr ein Jahr nach Beginn der Therapie, für einen mobilen Sprachcomputer; von unserer Tochter im weiteren Verlauf liebevoll „Lila“ genannt (wegen der lilafarbenen Schutzumrandung).

Soweit die Vorgeschichte. Als der bei der Krankenkasse beantragte und nach ein paar Wochen genehmigte „Talker“ dann kurz vor Weihnachten geliefert wurde, war die Freude groß! Die Tochter und wir Eltern begannen uns intensiv in das Gerät einzuarbeiten. Die Tochter konnte erstaunlich schnell das Gerät sicher bedienen und sich auch besser damit verständigen.

Probleme mit der Kita

Zu Beginn des folgenden Jahres (kurz nach dem 4. Geburtstag der Tochter) hatten wir ein großes Treffen in der Kita organisiert, um mit den Erzieherinnen die Details des Gerätes und seinen Einsatz in der Kita zu besprechen. Ein paar Tage nach dem Gespräch bekamen wir dann durch die Leiterin der Kita mitgeteilt, dass ein Einsatz dieses „Hilfsmittels“ in der Kita nicht erfolgen könnte, solange wir für unser Kind keinen Antrag für einen Integrationsplatz stellen würden.

Inklusion?

Wir waren gar nicht unbedingt abgeneigt, diesen Antrag zu stellen; was wir uns aber nicht erklären konnten, war die Frage, warum man uns erst im Zusammenhang mit diesem Talker auf diese Möglichkeit aufmerksam machte… Denn die Schwierigkeiten, die eine Sprachentwicklungsverzögerung im Kita-Alltag mit sich bringt, bestanden ja schon deutlich länger. Und der Einsatz dieses Talker hätte ja eher eine Erleichterung bedeutet.

Nun kann eine Kindertagesstätte einen solchen Integrationsplatz nicht von heute auf morgen einrichten, und so wurden wir auf das neue Kitajahr, das im August begann, vertröstet. Frühestens dann könnte ein Integrationsplatz in dieser Kita eingerichtet werden und bis dahin dürfte unsere Tochter auf keinen Fall den Sprachcomputer mit in die Kita bringen!!!

Kita-Wechsel

Dies war der Moment, in dem wir spätestens das Vertrauen in den Willen zur Unterstützung der Erzieherinnen und der Kitaleiterin verloren hatten. Ich griff zum Telefon und wollte in den beiden erfahrenen integrativen Kitas unserer Stadt anrufen. Bereits der erste Anruf brachte uns eine beinahe Zusage für einen Kitaplatz ab Sommer (noch dazu in der Kita, die wir von Anfang an favorisiert hatten). Die weiteren Gespräche mit der neuen Kita verliefen äußerst zugewandt und von Seiten der Kita sehr(!) engagiert.

Wir arrangierten uns also mit dem Zustand, dass vor uns noch ein halbes Jahr lag, in dem die Tochter ihren Sprachcomputer ausschließlich im privaten Umfeld nutzen konnte. Dies tat sie aber mit großer Freude und machte große Fortschritte im lautsprachlichen Bereich.

Der Moment, der uns die Augen öffnete

Was uns weitergeholfen hat bzw. die Augen für das geöffnet hat, was unser eigentliches Problem war? Ein Bekannter von uns ist Kinder- und Jugendpsychotherapeut und mit ihm gemeinsam haben wir erarbeitet, dass ein riesiger Druck auf uns lastete, ohne dass uns das bewusst war. Denn irgendwie standen wir als Eltern ganz schön alleine da und alle, die sich um uns herum noch mit den Herausforderungen der Sprachentwicklungsverzögerung unserer Tochter beschäftigt haben, waren uns gar nicht so richtig eine Hilfe:

    • Da war zum einen die logopädische Therapie, die einmal in der Woche stattfand, und für mich als Mutter jede Menge Organisationsaufwand bedeutete (denn die Termine lagen meist in der Mittagszeit und ich hatte noch einen kleinen Säugling gleichzeitig zu versorgen).
    • Dann wurde uns empfohlen noch weitere Diagnostiktermine in einem Sozialpädiatrischen Zentrum (SPZ) wahrzunehmen. Das empfohlene Zentrum lag aber mind. 30 Minuten Fahrtweg von uns entfernt (zu den Hauptverkehrszeiten haben wir auch schon mal über eine Stunde für den Hinweg gebraucht).
    • Für die Gespräche und Untersuchungen war der kleine Bruder oft unerwünscht, also musste ich auch noch für eine Vorortbetreuung sorgen (denn zu Beginn dieser Zeit habe ich ihn noch gestillt).
    • Und wirklich neue Erkenntnisse oder Unterstützung haben wir durch all diese Untersuchungen eigentlich nicht erlangt.

Der Weg zur Befreiung

Nachdem wir also erkannt hatten, dass wir alle unter enormen Druck standen, versuchten wir uns davon nach und nach zu befreien. Wir haben deshalb auch bis heute keinen Beschwerdebrief an den Träger der ursprünglichen Kita geschrieben, denn das hätte ja nur den Blick auf die Vergangenheit gelenkt.

Wir brauchten aber Kraft und Energie für die Zukunft! Also fokussierten wir uns auf den Weg zu einem Integrationsplatz in der neuen Kita. Bei der Beantragung haben wir wirklich große Unterstützung durch die Erzieherinnen bekommen und so konnte die Tochter und wir glücklich auf den Neubeginn im Sommer schauen.

Ruhe für alle Beteiligten

Mit Beginn der Eingewöhnung in der neuen Kita haben wir dann auch beschlossen, die logopädische Therapie erstmal für drei Monate zu unterbrechen, um ihr mehr Raum und Kapazitäten für den Übergang zuzugestehen. Bereits in diesen drei Monaten hat sie sich „von ganz allein“ im sprachlichen Bereich so gut entwickelt, dass wir auch nach den drei Monaten nicht wieder in die logopädische Therapie eingestiegen sind. Sie und auch wir als Eltern profitierten in dieser Kita von einer Atmosphäre, die ich immer gerne mit folgendem Satz überschreiben:

 

Endlich lag der Fokus nicht mehr auf ihren Schwächen und deshalb konnte sie aufblühen und sich entwickeln. Und so schafften wir es, uns mehr und mehr von diesem (gesellschaftlichen) Druck zu befreien.

Es folgen noch 2 Termine beim SPZ und dann war im Sommer auch dieses Kapitel abgeschlossen und wir genossen ein (Familien)-Leben ohne zusätzliche Therapietermine und den Organisationsaufwand drumherum. Und wir lernten wieder, unserem Bauchgefühl zu vertrauen.

Hochsensibilität – die neue Herausforderung

Ein neues Thema, das uns seit Anfang 2016 beschäftigt, ist die damals neu entdeckte Hochsensibilität der Tochter. Wobei dieses Thema erstmal gar keine Belastung, sondern eher eine Entlastung bedeutete, denn nun gab es eine schlüssige Erklärung für verschiedene Verhaltensweisen der Tochter. Auch die Kita hat sehr offen auf unsere neuen Erkenntnisse reagiert und uns und die Tochter gut begleitet.

Bald stand dann nämlich das nächste Thema im Raum: Die richtige Schule für unser hochsensibles Kind zu finden. Auch über diese Herausforderung habe ich einen ausführlichen Artikel geschrieben.

Dies ist ein persönlicher Beitrag aus unserem Familienleben. Ich hoffe, Du konntest etwas für Dich mitnehmen. Ansonsten schreibe ich hier über viele Themen rund um Mama-Burnout, Selbstfürsorge und Mutter-Kind-Kur.

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