„Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind groß zu ziehen.“

Dieses afrikanische Sprichwort hast du sicher auch schon mal gehört. Auch ich nutze es regelmäßig, wenn Mütter regelrecht gefangen sind, in der Annahme alles alleine schaffen zu müssen, aber regelmäßig grandios an diesen übermenschlichen Erwartungen scheitern.

Jetzt reinhören!

Artgerechtes Familienleben 

Wir Menschen sind nicht dafür gemacht, unsere Kinder alleine nur in einer Kleinfamilie mit max. zwei Erwachsenen zu begleiten. Als kooperativ aufziehende Art, wie Nicola Schmidt sagt, braucht es viele Menschen, viele Schultern, die gemeinsam unsere Kinder ins Leben begleiten bzw. uns Eltern dabei unterstützen.

Alles alleine schaffen wollen, obwohl wir wissen, dass es ein Ding der Unmöglichkeit ist, das liegt auch an unserer deutschen Kultur. Und natürlich brauchen wir jetzt nicht von einem auf den anderen Tag ins komplette Gegenteil verfallen, und ständig bei allen wegen jeder Kleinigkeit um Unterstützung betteln. Sondern wir dürfen uns im großen Graubereich zwischen diesen beiden Extreme bewegen. Mal dürfen wir mehr alleine schaffen, wenn wir genügend Energie haben oder das Leben gerade mal ruhiger ist, und genauso dürfen wir öfter mal um Hilfe bitten, um uns nicht auch noch durch falsche Ansprüche zu überfordern, wenn das Leben uns zwingt, sämtliche Energiereserven aufzufahren.

In Zeiten, in denen ich genügend Kraft, Ressourcen und Zeit habe, kann ich wiederum andere unterstützen. Und so wird das Ganze zu einem gegenseitigen Geben und Nehmen. Aber: Ohne gegenseitiges Aufrechnen, sondern so, wie es gerade passt und gebraucht wird; voller Herz, Liebe & Verbundenheit. Dazu gehört auch Grenzen zu setzen: für sich selbst, aber auch andere dürfen und sollen ihre Grenzen wahren, indem auch ein ehrliches „Nein“ auf eine Anfrage akzeptiert wird. Ehrliche & wertschätzende Kommunikation!

Aber schauen wir uns jetzt mal genauer an, was mit diesem Dorf gemeint ist.

Das Dorf früher

Das Dorf von früher bestand in der Regel aus

    • der größeren Kernfamilie (die im Mehrgenerationenhaushalt oder zumindest räumlich nah beieinander, im selben Dorf wohnte)
    • Nachbarn, die auch langfristig dort wohnten, und somit auch für Kinder zu festen Bezugspersonen werden konnten.

Ich will dieses Dorf von früher hier nicht verherrlichen, denn es gab bzw. gibt auch Nachteile oder Herausforderungen in solchen seit Jahren gefestigten Strukturen. Ein solches Dorf ist nicht selbstgewählt. Berufe, Werte, Ideale & Erziehungsmethoden waren vorgegeben und wurden „blind“ übernommen. Allerdings gab es durch erprobte Lösungen und Herangehensweisen auch weniger Stress, Ratgeber:innen waren immer in direkter Nähe und Verfügbarkeit, was Vorteil und Nachteil gleichzeitig sein kann.

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Das moderne Dorf

Heutzutage fehlt diese klare Orientierung. Der Wunsch danach, Familienleben anderes zu gestalten, äußere Rahmenbedingungen, die durch Berufstätigkeit, vorhandene finanzielle Mittel und einem vielleicht eher städtischen Lebensumfeld geprägt sind, bringt Unsicherheiten und Stress mit sich, was das Familienleben zusätzlich belasten kann. Zu viele Wahlmöglichkeiten überfordern uns in vielen Lebensbereichen, kosten wertvolle Energie und öffnen dem Perfektionismus Tor und Tür.

Das moderne Dorf ist von Natur aus häufig erstmal deutlich kleiner und wird oft gar nicht als solches erkannt. Es muss in der Regel durch die Eltern bewusst vergrößert werden. Teilweise besteht es zwar immer noch aus Familienmitgliedern, aber es ist eher eine Ansammlung von bewusst gewählten Menschen. Und das ist in meinen Augen auch die besondere Chance im Vergleich zu früher.

Zusammensetzung Deines Dorfes

Ich erläutere jetzt mal die verschiedenen, potenziellen Mitglieder Deines Dorfes. Manche werden Dir klar sein, da sie völlig selbstverständlich dazugehören. Über andere wirst Du vielleicht überrascht sein. Ich lade Dich in jedem Fall ein, beim Lesen mal für Dich zu prüfen und, wenn Du gerade die Möglichkeit hast, auch mal aufzuschreiben:

(1) Welche Person ist oder wäre das konkret in unserem Leben? Notiere Dir ihre Namen.

(2) Hatte ich diese Personen bereits auf dem Schirm? Sehe ich diese Menschen als Teil meines Dorfes oder nicht? Warum?

(3) Welche Ideen hören sich für mich neu an und wen könnte ich noch zusätzlich integrieren?

Familie / familienähnlich

Starten wir mit der Familie bzw. Menschen, mit denen wir eine familienähnliche Beziehung haben.

    • Familie (neben Oma & Opa, Tante/Onkel; aus der gleichen Generation Geschwister, Cousins/Cousinen, Patchwork-Konstellationen)
    • befreundete Familien (Patentante/-onkel, Wahlfamilie)

Institutionen

Bestandteil fast jedes modernen Dorfes sind aber auch Institutionen, wobei ich betonen möchte, dass es sich dabei nicht um Fremdbetreuung handelt, auch wenn dieser Begriff in diesem Zusammenhang häufig genutzt wird. Ich finde ihn total irreführend, denn die Menschen, denen wir und unsere Kinder dort begegnen, sind keine Fremden, sondern werden mit der Zeit zu Vertrauenspersonen und gehören u.a. genau deshalb auch zu unserem Dorf. Gemeint sind:

    • Kita/Tagesmutter
    • Schule/Schulbetreuung

Kontakte über Hobbies/gemeinsame Lebenswelt

Der nächste logische Bereich, sind alle weiteren Menschen, denen wir regelmäßig in unserem Alltag begegnen oder ein Teil unserer Lebenswelt sind. Sicher können & sollen nicht per se alle Menschen, denen wir begegnen, auch zu wirklichen „Dorfmitgliedern“ werden. Aber es können sich einzelne wertvolle Verbindungen ergeben und es lohnt sich genauer hinzuschauen, mit wem man zumindest mal einen Versuch starten könnte:

    • Nachbarn (wie im früheren Dorf; durch Umzüge können sich da aber auch Veränderungen ergeben)
    • andere Eltern, der Kinder mit unseren gemeinsam in Kita oder Schule gehen
    • Mutter-Kind-Gruppen
    • Vereine, in denen wir oder unsere Kinder ihre Freizeit verbringen
    • Kirchengemeinden

Erweiterung Deines Dorfes

Nun folgen noch zwei Bereiche, über die wir bewusst unser Dorf erweitern können. Es sind Menschen, die wir gezielt dafür kontaktieren, uns zu unterstützen und Teil unseres Dorfes zu werden, teilweise auch gegen Geld. Einziger Nachteil: Eine solche Beziehung muss erstmal aufgebaut werden, es gibt zunächst kein verbindendes Element und man weiß nicht von Anfang an, ob diese Beziehung auch wirklich gelingt. Dennoch ist es einen Versuch wert, gerade wenn aus den vorher genannten Bereichen nur wenige Personen mit begrenzten Zeitressourcen zusammengekommen sind.

Ehrenamtliche Dienste

    • Wellcome bietet praktische Hilfen nach der Geburt an und richtet sich an alle, die ein Kind im ersten Lebensjahr haben und sich praktische und unbürokratische
      Hilfe suchen wollen. Dabei ist es egal, ob es das erste Kind ist oder ob es bereits Geschwisterkinder gibt. Wellcome entlastet einfach alle Familien, die sich in dieser ersten Zeit Unterstützung wünschen und diese Unterstützung bekommen sie durch Ehrenamtliche, die sie im Alltag entlasten, wie es sonst Familie, Freunde oder Nachbarn tun könnten.
    • Nachbarschaftshilfe
    • Leihomas/-opas

Wenn du nicht weißt, welche dieser Angebote es bei euch so gibt, dann suche doch mal im Internet nach dem Stichwort Familienzentrum oder Nachbarschaftshilfe in eurem Wohnort oder eurer Region. Dort kann man euch dann sicherlich Auskunft geben, welche konkreten Angebote es gibt und wer euch wie unterstützen kann.

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bezahltes Dorf

Klassische bezahlte Unterstützung für das Familienleben sind

    • Babysitter
    • Ferienbetreuung (in der Schule oder auch Ferienfreizeiten, Fußballcamps u.ä.)
    • Nachhilfe/Hausaufgabenunterstützung (gerade hier kann viel Stress zwischen Eltern & Kindern entstehen, sodass es sich lohnt, über bezahlte Unterstützung nachzudenken)
      und last but not least:
    • Haushaltshilfe (selbstfinanziert und oft vermittelt über Kontakte in der Nachbarschaft, aber teilweise je nach Lebens-/Gesundheitssituation auch über Krankenkasse finanzierbar)

Ich habe Dir nun einen buten Strauß an Möglichkeiten mit vielen Beispielen vorgestellt und möchte Dich gerne nochmal an meine Fragen erinnern, um aus diesen theoretischen Möglichkeiten auch wirklich ein lebendiges, echtes Dorf entstehen zu lassen:

(1) Welche konkreten Personen sind Teil unseres Dorfes? Welche könnten es noch werden? Notiere Dir ihre Namen und mach Dein Dorf dadurch sichtbar!

(2) Welche der genannten Personen hatte ich bisher nicht auf dem Schirm? Könnten sie zukünftig Teil unseres Dorfes werden?

(3) Wie kann ich neue Menschen in mein Dorf integrieren? Was ist der erste Schritt?

Wie füllen wir das Dorf mit Leben? Wie gestalten wir unser Miteinander?

Die Personen alleine sind aber noch nicht das, was ein Dorf ausmacht, sondern die Beziehungen, die wir miteinander gestalten. Beziehungen gestalten hört sich in Deinen Ohren erstmal aufwändig an? Ja und Nein. Natürlich brauchen wir Zeit dafür, aber nicht unbedingt so viel wie Du denkst und: Wir können auch alltägliche Erledigungen miteinander tun und dabei Zeit zusammen verbringen. Oder uns die Vorbereitungen für unser Zusammensein teilen bzw. die Erwartungen an Gastgeber überarbeiten.

Buchempfehlungen

„Slow Family“
Julia Dibbern / Nicola Schmidt

Einige wunderbare Ideen für ein entspanntes & gleichzeitig unterstützendes Miteinander findest Du im Buch „Slow Family“ von Nicola Schmidt und Julia Dibbern. Die beiden berichten von kleinen Ritualen, die unsere Verbindungen miteinander stärken. Oder wie Du Deine Kinder kleine Aufträge erledigen lassen kannst, um ihren Aktionsradius und damit auch das Dorf und den sicheren Hafen zu erweitern.

Wenn ihr euch trefft, muss nicht vorher alles perfekt sein, wie bei einem Staatsbesuch. Zeigen wir uns lieber ehrlich und machen uns durch unsere Treffen das Leben leichter. Gemeinsam kochen oder sogar putzen. Dinge gemeinsam angehen, statt nur dazusitzen und rumzujammern (da geht es nämlich hinterher keinem wirklich besser und vor allen Dingen verändert sich dadurch nichts)

Oder wie wir es eine Zeit lang gemacht haben: Ein „slow family&friends“ Treffen an einem festen Termin im Monat, ohne großen Aufwand für die Gastgeber. Jeder steuert etwas bei, alle helfen hinterher aufzuräumen. Der Fokus liegt auf der gemeinsam verbrachten Zeit, den Kontakten, die dadurch entstehen und die Beziehungen, die gefestigt werden. So etwas kannst Du natürlich auch in Deiner Hausgemeinschaft oder Deiner Nachbarschaft initiieren.

Mein Impuls zum Vertiefen der Verbindungen

Als Impuls möchte ich Dich heute ermutigen, echte Verbindungen zu den Menschen in Deinem Umfeld entstehen zu lassen. Dafür braucht es: Augenkontakt, echtes Zuhören, echtes Da-Sein, ganz Da-sein, einander zugewandt sein (auch körperlich), achtsam aufeinander zu hören und ungeteilte Aufmerksamkeit.

Dafür braucht es nicht unbedingt viele Stunden am Stück, sondern diese Nähe kann sich auch durch kleine „Alltagszeremonien“ entwickeln, wie einer täglichen, morgendlichen Begrüßung mit der ernstgemeinten und ehrlich beantworteten Frage: „Wie geht es Dir?“ Dafür darfst Du in Vorleistung gehen und ehrlich von Dir selbst sprechen. Das hilft Deinem Gegenüber ebenfalls ehrlich zu sein und dann kann eine echte Verbindung entstehen.

Fazit

Ich hoffe, dass ich Dir mit dieser Episode Mut machen konnte, dass Du als Mutter nicht alles alleine schaffen musst und dass es keine Schande, sondern vielmehr „artgerecht“ ist, Hilfe anzunehmen. Die Anforderungen des Familienalltags müssen eben nicht nur in der Kleinfamilie unter Einsatz aller vorhandenen Energiereserven erledigt werden. Artgerechtes Leben heißt, Leben gemeinsam zu gestalten, Lasten gemeinsam zu tragen, ehrlich und zugewandt miteinander umzugehen.

Lass Dein Dorf wachsen; in der Größe und in der Tiefe der Beziehungen.

Du muss es nicht allein schaffen und Du bist auch nicht alleine! Auch ich kann ein Teil Deines Dorfes sein und Dich mit meinem Wissen und meiner Erfahrung unterstützen. Mit meinen kostenlosen Impulsen auf dem Blog und im Podcast, aber auch im persönlichen Austausch beim Coaching, 1:1 oder im Selfcare Circle.

Alles Liebe für Dich, 

Herzliche Einladung zum Selfcare-Circle

Ab 2025 gibt es wieder die Möglichkeit in mein Gruppen-Mentoring für Mamas einzusteigen. Du kannst Dich aber jetzt schon in die Warteliste eintragen:

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